14. nach Trinitatis 2025

Jakob ganz unten

 Text: 1. Mose 28, 10-22

Rembrandt: Jakob und die Himmelsleiter

Da ist jemand ganz unten, am Boden. Es ist Nacht, es ist kalt. Er weiß nicht, wie es weitergeht.

Wie ist es dazu kommen? Die Anfänge der Geschichte liegen weit zurück, als unser Mann da am Boden, Jakob, noch gar nicht geboren war. Im Mutterleibe buchstäblich. Und er war da nicht allein. Mit einem Zwillingsbruder musste er sich den Platz teilen. Und schon da gab es einen Konkurrenzkampf. „Sie stießen sich im Leib“, wird erzählt. Und Gott sagte zur Mutter, Rebekka: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“

Dann werden die Brüder geboren, erst Esau, ein rauher rötlicher Geselle, dann Jakob, der Glatte, wie er genannt wird. Auf dem Älteren liegt der Segen. Er hat das Erstgeburtsrecht. So war es Sitte damals. Aber da war doch die Verheißung an die Mutter: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“

Es ist bekannt, wie es weitergeht. Jakob, der Glatte, erkauft sich erst das Erstgeburtsrecht mit einem roten Linsengericht von seinem Bruder Esau und erschleicht sich später auch den Erstgeburtssegen, in dem er den alten blinden Vater Isaak arglistig täuscht – mit tatkräftiger Unterstützung der Mutter Rebekka.

Der Alte spricht also den Segen über Jakob, den Glatten, den falschen Erstgeborenen: „Völker sollen dir dienen und Stämme sollen dir zu Füßen fallen.“

Der echte Erstgeborene, Esau kommt von der Jagd und fordert den Segen. Und es kommt fast zur Katastrophe. Der alte Isaak entsetzt sich über die Maßen. Esau schreit laut, außer sich vor Wut, vor Bitterkeit. Aber es nutzt nichts. Der gesegnet wurde, wird gesegnet bleiben. Es gibt keinen zweiten Segen.

Und der gehörnte Esau brüllt es heraus: „Sobald der Vater tot ist, bring ich ihn um!“ Und wieder ist es die Mutter Rebekka, die ihre schützende Hand über den anderen Sohn hält. „Geh weg, flieh“, sagt sie. „Nimm dir eine Frau in Mesopotamien, bei meinem Bruder Laban. Dort bist du in Sicherheit.“

Und Jakob flieht. Er verlässt das Land Hals über Kopf. Er läuft und läuft.

Bald 80 Kilometer hat er schon zu Fuß zurückgelegt. Er ist fertig. Müde, von Dornen zerkratzt, durstig, ohne ein Dach über dem Kopf. Es wird Nacht, die Sonne geht ihm unter. Er muss draußen schlafen. Als Kopfkissen kann er sich nur einen Stein suchen. Jetzt ist er am Ende, ganz unten, am Boden.

Ob er beim Einschlafen seine Betrügereien schon bereut hat? Wo ist jetzt der Segen? Wo wirkt er denn? Hinter ihm zu Hause der Bruder, der ihn umbringen will, vor ihm das unbekannte Land, Nacht, Dunkelheit, Kälte.

Sollte es sein, dass der Segen nicht ein Segen ist, sondern ein Fluch, weil er schuldbeladen ist? Dass alle List nichts genützt hat? Dass der Betrug auf ihn zurückschlägt? Oder sollte es gar so sein, dass er zwar Esau und den alten Isaak austricksen konnte, aber dass Gott sich nicht täuschen lässt? Dass es gar nicht geht, dass man eigenmächtig eingreift und eigenmächtig versucht, mit allen Mitteln Gott selbst und seinen Verheißungen auf die Sprünge zu helfen? Er ist und bleibt Jakob, der Zweitgeborene. Steht ihm der Segen überhaupt zu? Was soll werden? Wie soll es werden? Wie kann es gut werden?

Als Jakob ganz unten ist – da auf dem Stein – sieht er oben den Himmel offen. Er sieht im Traum, wie sich Himmel und Erde berühren, wie Engel auf einer Leiter auf- und niedersteigen. Und er hört: von oben die Stimme Gottes. „Durch dich; Jakob, und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“

Er, der Betrüger, der aalglatte Gauner, der Lump, bekommt diese ungeheure Zusage von Gott. Großartig ist das. Gerade diesem Jakob wird das geschenkt. Wieso ihm? Gott sagt nicht warum. Er begründet nicht, was er tut. Aber es wirkt.

Jakob wacht auf. Diesen Traum kann er nicht abtun. Ganz tief in seinem Inneren, da geschieht etwas. Jakob verändert sich. Gott hat ihm etwas eröffnet, den Himmel geöffnet. Er weiß nun, dass Gott um ihn herum ist, dass Gott mit ihm zieht, wohin er sich auch wendet.

So also wirkt Gott in der Not. Er packt die Seinen nicht am Schlafittchen und zieht sie heraus aus allem Schlamassel. Er geht nicht mit dem Zauberstab über die Lande und wendet alles Leid. Der Mensch, der ganz unten ist, bleibt ganz unten. Aber er darf hören und empfangen, was Gott ihm genau da zusagt: Wo du auch bist, wohin du auch ziehst, wie es dir auch geht: ich verlasse dich nicht.

„Und ob ich schon wanderte durchs finstere Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bei bei mir.“

Wir müssen das – als Menschen durch manch finsteres Tal gehen, da führt kein Weg daran vorbei. Es gibt Situationen, da sind wir am Ende, ganz unten, liegen wie auf hartem Stein. Aber es ist die großartige Zusage Gottes, dass er uns genau dann am nächsten ist.

Die Vorgeschichte spielt keine Rolle. Bei Jakob waren das Betrügereien, Spitzbubenstücke, Streit bis aufs Blut. Es zählt nur das Jetzt: Jetzt öffnet sich ihm der Himmel, jetzt sieht er die Engel, jetzt hört er die Stimme Gottes. Und das lässt ihn aufstehen. Das lässt ihn Mut fassen. Das gibt ihm die Kraft, um weiterzugehen.

Das „Danke“ zu Gott spricht er nicht aus. Aber er richtet einen Stein auf als Zeichen dafür, was Gott ihm gezeigt hat. Und schließlich kippt er aus seinem spärlichen Besitz wertvolles Öl auf diesen Stein. Gott soll sehen, was es für ihn bedeutet, was er im nächtlichen Traum erlebt hat. Ein Zeichen dafür soll es sein, wie gut es ihm jetzt geht mit dem, was Gott ihm verheißen hat. Den Ort des Geschehens nennt er darum Bethel, das heißt: Haus Gottes. Weil Gott ihm da so nahe gekommen ist, und er Gott nahekommen durfte.

Ich davon überzeugt, dass es in diesem Sinne ganz viele solcher „Häuser Gottes „gibt.

Beth-El, Gottes Haus ist überall dort, wo sich der Himmel öffnet und Himmel und Erde sich berühren. Gottes Heim ist dort, wo Gott uns Menschen ganz nahe ist: wenn wir erschöpft sind, mutlos, ausgelaugt, wenn wir nicht mehr weiter wissen und nicht mehr weiter können, wenn uns unsere Vergangenheit einholt, wenn wir mit Schuld beladen sind und niedergedrückt von Sorgen, wenn Krankheit und Trauer uns das Leben schwer, beinahe unerträglich macht.

Dort ist Gottes Haus, dort ist Gott zu Hause, gerade dort, wo wir Menschen uns lieber nicht niederlassen, weil es hart und unbequem, unerwünscht und lästig ist.

Gottes Haus ist dort, wo Menschen Gottes Segen und Nähe erfahren, wo Menschen erfahren: Gott ist bei mir, er begleitet mich. Er stützt mich und gibt mir Halt. Ich bin nicht allein.

Ja, ich bin überzeugt davon, dass es viele Gottesheime, Gotteshäuser dieser Art gibt, und dass viele Menschen in Gedanken einen Dankesstein aufgerichtet haben. Warum ich mir so sicher bin? Gott hat es uns verheißen. Er hat dem Jakob versprochen: „Siehe, ich bin mit dir, wo du auch hinziehst.“ Und er hat uns in Jesus Christus versprochen: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Amen.

Pfr. Martin Anefeld

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