Predigtblog
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Zum 1. Advent grübelt Pfr. Martin Anefeld aus Nußdorf über zwei Fragen.
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„Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze
mit selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze,
mir kund und wissend sei.“
Evangelisches Gesangbuch Nr 11 Strophe 1
Advent beginnt
mit zwei Fragen:
Wie soll ich dich empfangen?
Und wie begegne ich dir?
Zwei Fragen,
gesungen, übersungen,
nicht nachgedacht,
gehört einfach dazu,
ist doch ein schönes Adventslied.
Aber wenn es nun echte Fragen sind?
Wenn ich dich und mich und uns ernsthaft frage:
Wie soll ich dich empfangen?
Und wie begegne ich dir?
Was antworten wir?
Ankunft heißt Advent – wissen wir irgendwie.
Wer kommt an?
Der Weihnachtsmann?
Das Christkind?
Die unliebsame Verwandtschaft?
Was kommt an?
Betriebsamkeit, Stress,
Glühwein und Bratwurst,
Konsumrausch?
Ankunft heißt Advent
und niemand kümmert’s, wer da kommt.
Ankunft heißt Advent,
und Gott kommt an – wissen wir irgendwie.
Wie?
Gott kommt.
Als kleines Kind, das Hilfe braucht - armselig.
Gott kommt.
Als mächtiger König, der auf einem Esel reitet - lächerlich.
Gott kommt.
Als Herrscher, der nicht Angst und Schrecken bringt,
sondern für Gerechtigkeit einsteht – unglaublich.
Gott kommt.
Und wir?
Fragen wir doch einmal ernsthaft:
Wie soll ich dich empfangen?
Und bitte nur keine allzu schnellen Antworten.
„Bereitet dem Herrn den Weg;
denn siehe, der Herr kommt gewaltig“,
rät der Prophet.
Aber heißt es bei vielen nicht eher:
Verbaut dem Herrn den Weg!
Haltet ihn auf – um Himmels willen –
haltet ihn auf!
Denn wir ahnen es,
das wird kein Spaß:
Der da kommt, ist
unbequem,
unangepasst,
unberechenbar.
Er bringt alles durcheinander:
unsere schöne Ordnung
von oben und unten,
von reich und arm,
von mächtig und schwach.
Er durchkreuzt unsere bequeme Vorstellung
von Recht und Gnade
von Schuld und Sühne,
von Leistung und Lohn.
Haltet ihn auf!
Verbaut ihm den Weg
Sonst stellt er uns
und alles in Frage,
sonst stellt er unsere Welt auf den Kopf.
Dann steht
unten über oben,
arm über reich
schwach über mächtig.
Dann gilt Gnade vor Recht - wo kämen wir da hin?
dann wirkt Vergebung statt Sühne - wer kann das schon verantworten?
dann winkt Lohn vor aller Leistung – also betriebswirtschaftlich ist das nicht!
Vielleicht will ich den gar nicht empfangen.
Vielleicht frage ich lieber:
Wie? Soll ich dich empfangen?
Vielleicht will ich dem gar nicht begegnen.
Vielleicht ist die Perspektive falsch.
Nicht, wie begegne ich ihm,
sondern: wie begegnet er mir.
Er ist schon da.
Er ist uns immer voraus.
Er kommt uns immer zuvor.
Er ist ein zuvorkommender Gott.
Gott ist schon da.
Aber bin ich auch da?
Mit meinem Kopf, mit meinen Gedanken,
mit meinen Sorgen, mit meinen Ängsten?
Oder bin ich schon längst weiter spaziert:
Was essen wir denn nachher?
Habe ich noch genug Chips im Haus?
Heute Abend lieber Fußball oder lieber Tatort?
Oh, gerade juckt’s mich am großen Zeh...
Wenn Gott schon da ist und uns begegnet,
müssen wir uns überhaupt fragen,
„Wie begegnen wir ihm?“
Gott wird schon damit klar kommen,
wenn ich im Overall einen Ölwechsel mache
oder in der Kittelschürze unterm Sofa die Staubmäuse aufsauge.
Aber ich komme damit nicht klar.
Empfangen will ich den, der da kommt.
Ich bin es ihm wert, dass er kommt.
Er ist es wert, dass ich ihn empfange.
Wie nur empfangen?
Empfangen kann man doch nur zu Hause,
bei sich, privat.
Er könnte auch bei mir vorbeikommen!
Himmel hilf.
Darauf bin ich nicht vorbereitet.
Meine Wohnung, wie die aussieht ...
Da könnte ich gerade im Moment, ....
also da bräuchte ich ein wenig Zeit…
Was müsste ich da alles machen?
Streichen, endlich die Fußleisten,
und das Sofa, das geht gar nicht…
Wenn Jesus jetzt vor der Tür stünde und klingelt.
Wie soll ich den empfangen?
Muss ich mich noch vorher umziehen, rasieren, Zähne putzen, Haare waschen?
Und mein Lebenswandel, meine offenen Baustellen,
in der Familie, Freundeskreis, Arbeit,
da hätte ich noch ne Menge zu erledigen,
bis ich ihn reinlassen könnte, auch in mein Herz.
Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanken,
wie ich ihn empfangen soll.
Jesus selber ist Gastgeber gewesen.
Er lud ein und empfing.
Seine Freunde.
Und was für Freunde!
Petrus, den Unzuverlässigen,
Matthäus, den Zollbetrüger,
Thomas, den Zweifler,
Johannes, der immer seine Nähe suchte,
Judas, ihn verriet.
Er hat sie alle empfangen.
Er ist ihnen allen begegnet,
den Mühseligen und Beladenen,
den Kranken und den Ausgestoßenen
– als Bruder, als Retter, als Heiler, als Heiland.
Vielleicht sollte ich mich weniger fragen,
weniger grübeln, weniger darüber nachdenken:
Wie soll ich ihn empfangen
und wie begegne ich dir.
Er selbst wird dafür sorgen, dass er mir begegnet,
er selbst ist es, der mich empfängt.
Amen.